Samstag, 20. Dezember 2014

Weihnachten - das ganze Jahr

Bild: Der Autor Heinrich Böll
Foto: Harald Hoffmann /Bundesarchiv /
Wikimedia Commons.
Eine bekannte Geschichte von dem Autor Heinrich Böll heißt
"Nicht nur zur Weihnachtszeit".

Die Geschichte erzählt von einer alten Dame,
die Weihnachten liebt.
Sie möchte jeden Tag einen Christbaum sehen
und Weihnachts-Plätzchen essen.
Ihre Familie muss mit ihr feiern.
Jeden Tag im Jahr.
Sonst wird die alte Dame böse und schreit.


Bild: Ein Christbaum
Foto: Dr. Eugen Lehle/ Wikimedia Commons
 


 
Bild: Weihnachts-Plätzchen
Foto: Hedwig von Ebbel / 
Wikimedia Commons

















Der Mann und die Kinder sind verzweifelt.
Bild: Eine Wachsfigur von Elvis Presley
Foto: Panop14 / Wikimedia Commons

Bald halten sie es nicht mehr aus.
Sie setzen Wachs-Figuren ins Wohnzimmer.
Die Figuren sehen aus wie die Familien-Mitglieder.
Die alte Dame feiert immer weiter.
Sie bemerkt nicht, 
dass die Familie schon lange nicht mehr da ist.



Satire und Wirklichkeit

Diese Geschichte ist eigentlich eine Satire.
Aber die Wirklichkeit holt die Satire ein:
Seit vielen Jahren beginnt Weihnachten schon im Sommer.
Denn ab August kann man Weihnachts-Plätzchen kaufen.
Jedenfalls in manchen Supermärkten.
Im September bekommt man sie dann überall.

Früher hat man im Advent die Straßen geschmückt.
Der Advent - das sind die vier Wochen vor Weihnachten.
Davor hat man an die Toten gedacht.
Man hat die Gräber der Familie besucht.
Ende November ist der Toten-Sonntag.
Vor dem Totensonntag gab es keinen Advents-Schmuck.

Heute sieht man mitten im November 
nicht nur Advents-Schmuck, 
sondern sogar schon bunte Christbäume.

Das sieht schön aus.
Aber eigentlich verdirbt es das Fest.


Weihnachten in meiner Kindheit


In meiner Kindheit war das anders.
Bild: Weihnachts-Plätzchen auf dem Back-Blech.
Foto: Dirk Vorderstraße / Wikimedia Commons.
Da fing die Weihnachts-Zeit erst im Advent an.

Meine Mutter hat dann Weihnachts-Plätzchen gebacken.
Darin waren besondere Gewürze.
Sie dufteten gut.
Die Plätzchen verschwanden sofort in Dosen.
Aber man konnte sie in der Wohnung riechen.
Die Vorfreude auf das Fest begann.

Über dem Tisch hing ein Adventskranz.
Er war aus grünen Tannenzweigen
und hatte vier rote Kerzen.
Das war der erste Vorbote von Weihnachten.
Bild: Ein schöner Advents-Kranz
Foto: Cornischong at Luxembourgish Wikipedia / 
WM Commons

Am späten Nachmittag zündete meine Mutter eine Kerze an.
Wir Geschwister saßen um den Adventskranz herum
und schauten in das Licht.
Wir sangen Advents-Lieder und Nikolaus-Lieder.
Meine Mutter konnte den Text.
Wir sangen auch zwei-stimmig.
Das brachte sie uns bei. 


Dazu gab es Tee oder Kakao,
Erdnüsse und Mandarinen.
Manchmal bekamen wir ein paar Plätzchen.
Aber nur zum Probieren.


Bild: Der Nikolaus bringt Kindern SüßigkeitenFoto: Wikimedia Commons.

Am 6. Dezember standen wir früh auf.
Wir liefen zu unseren Schuhen.
In den Schuhen waren Süßigkeiten.
Unsere Eltern sagten:
Das hat der Nikolaus Dir gebracht.












In der ersten Woche brannte nur eine Kerze am Adventskranz.
In der zweiten Woche waren es schon zwei Kerzen.
In der dritten Woche waren es drei.
Und dann vier.

So wurde das Licht immer heller.
Jetzt sangen wir keine Advents-Lieder mehr,
sondern Weihnachts-Lieder:
Wir übten für den heiligen Abend.

Am 24. Dezember war das Wohnzimmer verschlossen.
Dort schmückten die Erwachsenen den Baum.
Wir Kinder durften ihn nicht sehen.

Bild: Zwei Glöckchen. 
Foto: petercui (Bide Cui)/Wikimedia Commons
Wir warteten den ganzen Tag.
Man schickte uns nach draußen.
Dort sollten wir spielen.
Später spielten wir im Zimmer.
Allmählich wurde es dunkel.
Nun dauerte es nicht mehr lange,
dann hörten wir ein Glöckchen klingeln.
Das war das Zeichen.
Wir gingen zum Wohnzimmer.

Endlich war die Türe offen.

Das Zimmer war dunkel.
Nur die Kerzen am Baum brannten.
Das sah wunderschön aus.
Wir sagten "Oh" und waren selig.

Dann standen wir um den Baum herum und sangen.
Unter dem Baum lagen viele Päckchen.
Große und kleine, in buntes Papier verpackt.
Beim Singen dachte ich:
Ist das größte Päckchen vielleicht für mich?

Meine Mutter oder mein Vater nahm die Bibel
und las die Weihnachts-Geschichte vor.
"Es begab sich aber zu der Zeit...."

Danach packten wir unsere Geschenke aus
und freuten uns.
Na ja...
manchmal gab es auch Streit:
"Dieses Geschenk habe ich mir gewünscht.
Warum hat sie es bekommen?"
Aber eigentlich waren wir an Weihnachten besonders brav.

Bild: Ein bunter Teller
Foto: RobertK / CC-BY-SA-2.0-DE.
Später aßen wir zu Abend.
Wir durften lange auf bleiben.
Das war sonst nicht erlaubt.
Wir spielten mit unseren neuen Spielsachen.
Und jeder bekam einen bunten Teller.
Das war ein großer Teller mit Weihnachtsplätzchen.
Diese Plätzchen durfte man ganz alleine aufessen.


 
Später, als ich Studentin war,
half ich beim Christbaum-Schmücken.
Dabei fühlte ich mich sehr erwachsen.
Das Wohnzimmer war nicht mehr verschlossen.
Aber Weihnachten war immer noch ein besonderes Fest.
Nach dem heiligen Abend zündeten wir jeden Abend die Kerzen am Baum an.
Bis zum 6. Januar.

Oft musste ich schon vor dem 6. Januar fort.
Ich fuhr zurück zu meiner Universität.
Der Zug eilte durch die Dunkelheit.
Wenn er durch einen Ort fuhr,
sah man in vielen Fenstern die Christbäume leuchten.
Das war schön.

Weihnachten war eine besondere Zeit im Jahr,
Ich habe sie mit Spannung erwartet.
Wenn sie endlich da war, kam alles zur Ruhe.

Heute sieht man viele Wochen lang Weihnachts-Schmuck.
Oft ist er knall-bunt und blinkt hektisch.
Und an Weihnachten denke ich:
Ach, schon wieder ein Christbaum.
Er ist ein bißchen schief.
Ich habe schon schönere gesehen!
Uh, so  viele Plätzchen.
Ich mag keines mehr.
Ich habe schon so viele gegessen!

Früher war Weihnachten schöner.
So!
Jetzt habe ich es gesagt.

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