Samstag, 26. April 2014

Die kluge Gretel

Ein Märchen der Brüder Grimm.


Die Köchin Barbara Stohmayer
Foto: Stadtbibliothek München. Siehe unten



Es war einmal eine Köchin,
die hieß Gretel.
Sie hatte rote Schuhe.
Wenn sie damit spazieren ging, dachte sie:
„Gretel, du bist doch ein hübsches Mädchen!“











Eines Tages sagte ihr Herr:
"Gretel, heute Abend kommt Besuch.
Zum Essen will ich Brat-Hühnchen haben.
Gib Dir besonders viel Mühe!"

Gretel nahm zwei schöne Hühner,
bereitete sie gut vor,
tat Gewürze daran
und steckte sie auf einen Spieß.
Dann legte sie den Spieß über das Feuer.
Sie setzte sich neben das Feuer.
und drehte den Spieß.

Fünf Hühner an einem Spieß. Rechts sitzt jemand und dreht den Spieß.
Foto: Bodleian Library Oxford. Siehe unten.


Das Feuer war heiß.
Gretel bekam Durst.
Sie dachte:
„Zum Essen gibt es Wein.
Ich will ihn aus dem Keller holen.“

Im Keller sagte Gretel zu sich selbst:
„Ich will zuerst wissen, ob der Wein gut ist.
Ich werde ein bisschen trinken“
Sie füllte einen Becher
und sagte:
„Gott soll es dir segnen, liebe Gretel!“
Bild: Ein Wein-Krug
Foto: Walters Art Museum. Siehe unten


Sie trank einen Schluck.
„Schmeckt der Wein wirklich gut?
Ich weiß es nicht.
Ich habe zu wenig getrunken“.
Gretel trank noch einen großen Schluck.
Dann nahm sie einen Krug Wein
und ging in die Küche.






In der Küche duftete es köstlich.
Die Hühner wurden schon braun.
Aber der Gast war noch nicht gekommen.

Gretel sagte zu ihrem Herrn:
„Die Hühner werden schon braun.
Wenn der Gast jetzt nicht kommt,
muss ich die Hühner vom Feuer wegnehmen.
Aber das ist schade.
Denn jetzt sind sie besonders saftig.“

Da antwortete der Herr:
„Du hast recht, Gretel.
Ich werde gehen und den Gast holen.“
Er zog seinen Mantel an
und ging aus dem Haus.

Gretel ging zurück in die Küche.
Dort stand der Wein-Krug.
Sie trank noch einen guten Schluck.

Die Hühner dufteten immer besser.
Sie waren herrlich braun.
Gretel dachte:
„Die Flügel verbrennen bald.
Das wäre schade.“
Sie trank noch einen herzhaften Schluck Wein
und sagte zu sich:
„Die Köchin muss wissen, wie das Essen schmeckt.
Einen Flügel will ich probieren.“


Der Flügel schmeckte köstlich.

Gretel dachte:
„Nun sieht das Huhn komisch aus.
Ich will den anderen Flügel auch essen.
Dann sind beide Seiten wieder gleich.“

Auch der andere Flügel war köstlich.
Gretel probierte zur Sicherheit noch ein Bein,
und noch ein Bein,
und dann
aß sie das Huhn auf.

Nach dem Essen trank sie einen ordentlichen Schluck Wein
und sagte:
"Die Hühner gehören zusammen.
Wo ein Huhn ist, soll auch das andere sein."
Sie aß das andere Huhn,
und trank noch einen anständigen Schluck Wein.

Foto: Beinecke Library, Yale, CC BY SA 2.0. 
Bild: Ein Mann wetzt ein Messer





Der Herr kam nach Hause.
„Gretel, der Gast ist unterwegs.
Er wird gleich da sein.
Stell das Essen auf den Tisch!
Ich will die Hühner dann zerschneiden“

Er nahm sein Messer.
Das Messer war nicht mehr scharf.
Deshalb wetzte er es.
Das machte ein lautes Geräusch.


Da kam der Gast.

Er klopfte an die Türe.
Der Herr hörte ihn nicht.
Aber Gretel hörte ihn.
Sie lief zur Türe und sagte leise:
„Vorsicht! Gehen Sie schnell weg!
Mein Herr will Ihre Ohren abschneiden.
Hören Sie nur:
Er wetzt schon das Messer!“

Der Gast hörte das Geräusch.
Er erschrak sehr
und lief weg.

Gretel ging zu ihrem Herrn.
„Da haben Sie aber einen schönen Gast eingeladen!
Er hat beide Hühner gestohlen
und ist weggelaufen!“

Der Herr dachte:
"Was, beide Hühner sind fort?
Konnte der Gast nicht eines für mich übrig lassen?"
Mit dem Messer in der Hand sprang er auf die Straße.
Er lief dem Gast nach
und rief laut:
„Nur eines! Nur eines!“

Der Gast aber dachte:
„Hilfe, er will eines von meinen Ohren abschneiden!“

Und rannte noch schneller.


Alle Fotos sind von Wikimedia Commons. 

Köchin: Hausbuch der Mendelschen Zwölfbrüderstiftung, Band 2. Nürnberg 1550–1791. Stadtbibliothek Nürnberg, Amb. 317b.2°,  via http://www.nuernberger-hausbuecher.de/
Fünf Hühner am Spieß: Romance of Alexander, Brügge, 1338-1344, Bodleian Library Oxford Oxford, MS 264 fol 170v
Weinkrug:  Walters Art Museum No. 54.947 thewalters.org



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