Ein Eingang am Dom von Wọrms Foto: Friedrich Haag / Wikimedia Commons |
Was ist das?
Das ist ein Eingang am Dom von Worms
Der Dom (Dom, -e) in der Stadt Worms. Das Foto ist 100 Jahre alt. Hinten sieht man Wasser. Das ist der Rhein.Foto: Library of Congress /Wikimedia Commons. |
Das ist nicht der Haupt·eingang. Warum ist er wichtig?
Über diesen Eingang gibt es eine Geschichte:
Hier standen einmal zwei Königinnen.
Sie hatten einen Streit:
Wer darf zuerst durch die Türe gehen?
Die eine Königin sagte:
Mein Mann ist besser als deiner,
denn dein Mann ist unser Diener.
Deshalb darf ich zuerst durch die Türe gehen.
Die andere sagte:
Das stimmt nicht.
Mein Mann ist besser als Deiner.
Alle lieben ihn.
Und er ist stärker als Dein Mann.
Er hat einen Drachen getötet
und einen Schatz erobert.
Deshalb gehe ich vor Dir in den Dom!
Ein Schatz (der Schạtz, ̈-e).(Schatz von Eberswalde) Foto: Ralf Roletschek / Wikimedia Commons |
Ein Drache (der Drạche, -n) Bild: Wikimedia Commons |
Wer waren die Königinnen?
Sie hießen Brünhild und Kriemhild.
Ihre Männer waren Gunther und Siegfried.
Kriemhild
Brünhild
Brünhild
Gụnther
Siegfried
Ist die Geschichte wirklich passiert?Siegfried
Vielleicht.
Wann war das?
Es war ungefähr im 5. Jahrhundert.
Das ist lange her. Woher kennen wir die Geschichte?
Sie steht im "Nibelungen·lied".
Das ist ein Text aus dem 13. Jahrhundert.
Eine Seite vom Nibelungenlied (das Nibelụngenlied). Foto: Badische Landesbibliothek Karlsruhe / Wikimedia commons |
Und wie geht die Geschichte weiter?
Kriemhild sagt zu Brünhild:
Ich bin höher als du.
Du bist nur meine Nebenfrau.
Brünhild ruft: Wie kannst Du so etwas sagen?
Kriemhild antwortet:
Mein Mann hat einmal mit dir geschlafen.
Du weißt das nicht.
Es war dunkel.
Du hast gedacht, es ist dein Mann.
Mein Mann hat deinen Ring und deinen Gürtel mitgenommen.
Schau, hier sind sie!
Zwei Ringe (der Rịng). Foto: Wikimedia Commons |
ein Gürtel (der Gürtel, -). Zeichnung: Percy Anderson, 1901. Wikimedia Commons |
Brünhild ist schockiert.
Sie kann nichts mehr sagen.
Kriemhild geht vor Brünhild in den Dom.
Kriemhild geht vor Brünhild in den Dom. Bild: Otto von Leixner Foto: Wikimedia |
Später verlassen alle den Dom.
Draußen sagt Brünhild zu ihrem Mann Gunther:
Erinnerst Du Dich an meinen Ring und meinen Gürtel?
Jemand hat sie gestohlen.
Kriemhild sagt, es war Siegfried.
Sie sagt, er war in unserem Schlafzimmer
und hat mit mir geschlafen.
Gunther ist wütend.Was war das für ein Geheimnis?
Er denkt:
Siegfried hat unser Geheimnis verraten.
Das ist lange vorher passiert:
Brünhild war ein starkes Mädchen.
Sie wollte einen starken Mann.
Sie sagte:
Wer mich heiraten will, muss zuerst mit mir kämpfen.
Er muss einen Speer weiter werfen als ich.
Und er muss weiter springen als ich.
Gunther war nicht stark.
Er konnte Brünhild nicht besiegen.
Aber er wollte sie unbedingt heiraten.
Deshalb nahm er Siegfried mit zu dem Kampf.
Siegfried war sehr stark,
und er hatte eine Tarnkappe.
Wenn er die Tarnkappe trug, konnte niemand ihn sehen.
Gunther warf einen Speer,
und Siegfried trug den Speer weit nach vorne.
Gunther sprang,
und Siegfried trug Gunther weit nach vorne.
So besiegte Gunther Brünhild.
Es war Betrug.
Aber niemand sah Siegfried.
Brünhild heiratete Gunther.
In der Hochzeitsnacht ging Siegfried zuerst in das Schlafzimmer
und warf Brünhild auf das Bett.
Dann ging er hinaus und Gunther kam herein.
Jetzt dachte Gunther:
Siegfried war in unserem Schlafzimmer.
Das stimmt.
Aber niemand sollte diese Geschichte wissen.
Es war ein Geheimnis!
Und ... hat er wirklich nicht mit Brunhild geschlafen?
Er hat es mir so gesagt...
aber Kriemhild hat er etwas anderes erzählt!
Siegfried war mein Freund.Oh je. Gunther ist wirklich sehr wütend.
Aber jetzt hasse ich ihn.
Ich will ihn töten!
Ja, Gunther ist wütend.
Aber er hat ein Problem:
Siegfried ist stärker als er.
Gunther kann Siegfried nicht töten.
Was macht Gunther da?
Gunther macht einen Plan mit seinem Freund Hagen.
Als Siegfried Wasser trinkt
tötet Hagen ihn von hinten.
Siegfried trinkt Wasser. Hagen tötet ihn von hinten mit einem Speer (der Speer, -e) Bild: Nibelungenlied Manuskript K Wikimedia Commons |
Hagen legt Siegfried vor Kriemhilds Türe.
Als sie am Morgen zum Dom geht, findet sie ihn.
Dann stiehlt Hagen Siegfrieds Schatz
und wirft ihn in den Rhein.
Hagen wirft Siegfrieds Schatz in den Rhein. Figur: Johannes Hirt 1905 Foto: EPei / Wikimedia Commons |
Ist die Geschichte zu Ende?
Nein, sie ist noch lange nicht aus.
Kriemhild lebt noch lange.
Später heiratet sie König Etzel.
Ẹtzel
Aber Kriemhild vergisst Siegfried nie.
Sie will seinen Tod rächen.
Deshalb macht sie einen Plan.
Kriemhild schickt König Gunther eine Nachricht:
König Etzel und ich machen ein Fest.
Wir möchten Dich einladen.
Komm mit allen deinen Leuten!
Gunther und seine Leute kommen zu dem Fest.
Sie gehen in den Fest·saal.
König Etzels Leute verschließen die Türen
und zünden das Haus an.
Der Festsaal brennt. Bild: Hundshagenscher Kodex, Staatsbibliothek Berlin Foto: Wikimedia Commons |
Es gibt einen großen Kampf.
Zum Schluss sind alle tot.
Auch Kriemhild.
Ein Kämpfer tötet Kriemhild. Bild: Alfred Rethel, 1840 Foto: Wikimedia Commons |
Die Nibelungensage
Diese Geschichte ist eine Sage.
Das heißt:
Sie ist schon sehr alt,
und man weiß nicht mehr, ob sie wahr ist.
Siegfrieds Schatz gehörte am Anfang anderen Leuten.
Sie hießen "Nibelungen".
Siegfried eroberte den Schatz,
und die Nibelungen wurden seine Leute.
Deshalb heißt die Sage "Nibelungen·sage".
Nibelụngen
Die Deutschen hatten die Nibelungensage vergessen. Aber vor 200 Jahren fand jemand den Text wieder.
Er machte ein Buch daraus.
Viele Schriftsteller dachten:
Diese Geschichte ist sehr interessant -
Wir wollen sie neu schreiben!
So wurde die Geschichte wieder bekannt.
In dieser Zeit fragten sich die Deutschen:
Wer sind wir?
Was unterscheidet uns von Franzosen oder Engländern?
Was haben wir, was andere Leute nicht haben?
Sie dachten: Die Nibelungensage gehört dazu.
So machten sie die Nibelungensage zum Nationalepos von Deutschland.
Bis ungefähr 1960 war die Sage sehr bekannt.
Jetzt vergessen die Leute sie wieder.
Bei Jugendlichen ist sie nicht mehr populär.
Aber ältere Leute kennen sie noch.
Und Siegfrieds Schatz?
Vielleicht liegt er bei Worms im Rhein.
Manche Leute suchen ihn immer noch.
Wortliste
der König, -e = Chef von einem Land. Sein Vater und sein Großvater waren dort auch schon Chef.
der Dom, -e = große Kirche. Dort arbeitet ein Kirchen-Chef.
der Streit (nur Singular) = Problem zwischen zwei oder mehr Personen. Sie sind wegen dem Problem unfreundlich zu einander.
dienen = (hier:) für jemanden arbeiten.
Der Schạtz, ̈-e = viel Geld oder viele teure Sachen zusammen.
der Drạche, -n = Tier aus einer Geschichte. Es ist sehr stark und sehr böse.
erobern = eine Sache oder ein Land von anderen Leuten mit Gewalt wegnehmen.
es ist lạnge her = es ist vor langer Zeit passiert.
die Nebenfrau, -en = ein Mann hat mehrere Frauen. Eine ist die Hauptfrau. Die anderen sind die Nebenfrauen.
mit jemandem schlafen = mit jemandem Sex haben.
stehlen, stahl, gestohlen = etwas wegnehmen, was einer anderen Person gehört.
wütend = so, dass man sehr böse auf jemand (oder über etwas) ist.
das Geheimnis, -se = eine Sache, die niemand wissen darf.
verraten, verriet, verraten = ein Geheimnis sagen.
kämpfen = (hier:) die eigene Kraft mit der Kraft von einer anderen Person vergleichen (zum Beispiel beim Sport oder im Krieg).
der Kạmpf, ̈-e = (Substantiv von:) kämpfen.
besiegen = mit jemanden kämpfen und stärker sein.
der Speer, -e = alte Waffe (siehe Bild)
werfen, warf, gewọrfen = eine Sache aus der Hand weit fort fliegen lassen.
der Rhein = Name von einem Fluss.
sprịngen, sprạng, gesprụngen = mit beiden Füßen den Boden verlassen.
die Tarnkappe, -n = ein Hut. Wer ihn aufsetzt, den kann niemand mehr sehen.
betrügen, betrog, betrogen = zu jemanden etwas sagen, das nicht stimmt, weil man von ihm/ihr etwas bekommen möchte, was man nicht bekommen sollte. Zum Beispiel: Ein Auto verkaufen und sagen: "Das Auto ist nur 10 000 Kilometer gefahren". Aber das Auto ist in Wirklichkeit schon 100 000 Kilometer gefahren.
der Betrug (Plural: die Betruge / die Betrügereien) = (Substantiv von:) betrügen.
hạssen = eine Person oder eine Sache überhaupt nicht gern haben.
töten = machen, dass jemand nicht mehr lebt.
wütend = so, dass man sich sehr, sehr ärgert.
rächen = Jemand hat mir etwas Böses getan. Deshalb tue ich ihm auch etwas Böses: Ich räche mich.
ạnzünden = Feuer machen.
die Sage, -n = alte Geschichte. Man weiß nicht, ob sie stimmt.
der Schrịftsteller, - = Person. Sie schreibt Bücher mit Geschichten.
das National´epos, die National´epen = Geschichte. Sie ist alt. Die Leute in einem Land denken: Diese Geschichte gehört nur zu unserem Land und zu unserer Kultur.
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
gibt es in ihrem Land auch ein Nationalepos?
Wie heißt es?
Aus welcher Zeit kommt es?
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