Freitag, 22. Mai 2015

Ein Gedicht von Goethe


Na endlich!
Hier kommt ein Gedicht von Goethe.
Es ist sehr bekannt.
Viele Leute können es auswendig.

Das Gedicht erzählt über den Abend.
Es ist nicht schwer.
Aber vielleicht sind diese Wörter neu für Sie: 


Der Gipfel - der obere Teil von einem Berg.


Bild: 3 Gipfel beim Berg Zugspitze in den Alpen.
Foto: Cornholio / Wikimedia Commons

  Der Wipfel -  der obere Teil von einem Baum.

Bild: Baum-Wipfel am Lainzer Tiergarten in der Stadt Wien, Österreich.
Foto: Qupix / Wikimedia Commons

Der Hauch - Ein leichter Wind. Oder ein Atem-Zug.

 Bild: Figur im Museum Wasser-Kunst, Hamburg
Foto: Privat
Das Vögelein - ein kleiner Vogel



Bild: Vogel am Abend
Foto: Wing-Chi Poon / Wikimedia Commons



schweigen - nichts sagen.



Wanderers Nacht-Lied 2







Über allen Gipfeln
ist Ruh´,
In allen Wipfeln
spürest Du
kaum einen Hauch;
Die Vögelein schweigen im Walde.
Warte nur! Balde
ruhest Du auch.

Ruh´ = Ruhe / spürest = spürst
Walde = Wald/ balde = bald /ruhest = ruhst
Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)





Bild: Wald-Rand am Abend
Maler: Wilhelm Trübner. Stadtmuseum Bautzen.
Foto: zeno.org /Wikimedia Commons


Hier können Sie das Gedicht hören:

https://www.youtube.com/watch?v=gWKuCwt9LVY  

https://www.youtube.com/watch?v=nGuwZXE1j4E 


Man kann das Gedicht auch singen.
Franz Schubert hat es vertont. 
Hier kann man das Lied hören:
https://www.youtube.com/watch?v=nfEcVkO9bHo 

Wenn man das Gedicht hört,
oder wenn man es laut liest, 
dann merkt man: 
Der Rhythmus ändert sich immer wieder.

Das ist wie der Abend nach einem schönen Tag.
Wenn die Sonne untergeht, 
kommt der Wind.
Im Wind bewegen sich die Bäume.
Wenn der Wind stark ist, 
bewegen sie sich stark.
Wenn der Wind schwach ist, 
bewegen sie sich kaum.

Zum Schluss legt sich der Wind.
Die Natur wird ruhig.
und der Mensch auch.


Johann Wolfgang von Goethe


Bild: Goethe
Maler: Karl Stieler 1828 / Pinakothek der Moderne, München
Foto: Wikimedia Commons

Goethe wurde in Frankfurt geboren.
Sein Vater war Jurist.
Er selbst studierte auch Jura.

Dann ging er an den Hof von Weimar. 
Der Herzog dort war sein Freund.

Goethe arbeitete zuerst als Jurist in der Verwaltung.
Später bekam er nicht mehr so viele Aufgaben,
denn er brauchte Zeit zum Schreiben.  
Er war ein erfolgreicher Schriftsteller.
In vielen Ländern lasen die Leute seine Romane,
Theater-Stücke und Gedichte.

Viele Künstler suchten seine Freundschaft.
Aber er interessierte sich nicht nur für Kunst, 
sondern auch für die Natur-Wissenschaften,
für Philosophie und für die Religionen.

Er selbst glaubte, 
dass die Natur und Gott Eins sind.


Über Goethe kann man viel erzählen.
Das tue ich ein anderes Mal.
Jetzt erkläre ich lieber,
warum das Gedicht so einen komischen Titel hat. 


Warum heißt das Gedicht Wanderers Nachtlied 2 ?


Bild: Die Hütte auf dem Berg Kickelhahn
Zeichnung: Zeitschrift Die Gartenlaube, 1872 /Wikimedia

Goethe schrieb das Gedicht auf einer Wanderung.
Er war über Nacht in einer Hütte.
Dort schrieb er es an die Wand.
Das war im Jahr 1780.

Bild: Goethes Schrift an der Hütten-Wand. Er benutzte die alt-deutsche Schreib-Schrift.
Zeichnung: Zeitschrift Die Gartenlaube, 1872 / Wikimedia

Im Jahr 1815 machte Goethe eine Werk-Ausgabe.
Das heißt: 
Er veröffentlichte alle seine Werke zusammen.

Unter diesen Werken gab es viele Gedichte.
Eines hieß Wanderers Nachtlied.
Es erzählt von dem Wunsch nach Frieden und Ruhe.

Goethe dachte:
Mein Gedicht aus der Hütte ist ähnlich wie Wanderers Nachtlied.
Im Buch schreibe ich beide direkt hintereinander.
Zuerst schreibe ich Wanderers Nachtlied,
und dann das Gedicht aus der Hütte.

Über das Gedicht aus der Hütte schrieb er:
"Ein Gleiches".
Das bedeutet: 
Es ist gleich wie Wanderers Nachtlied.

Deswegen nennt man das Gedicht Wanderers Nachtlied 2.
Meistens schreibt man das mit römischen Ziffern:
Wanderers Nachtlied II 
Aber in vielen Ausgaben heißt es auch:
Ein Gleiches


Übrigens:
Die Hütte auf dem Kickelhahn ist abgebrannt.
Man hat sie wieder aufgebaut.
Aber Goethes Schrift ist nicht mehr da.

Freitag, 8. Mai 2015

Die Eis-Heiligen

Es ist Mai.
Der Frühling ist da.
Das Wetter wird immer wärmer.

Aber Vorsicht!
Es kann noch einmal kalt werden.
Denn Mitte Mai kommen die Eisheiligen.

Bild: Blumen im Schnee.
Foto: Evelyn Simak, geograph.org.uk
Die Eisheiligen sind 5 Tage.
An diesen Tagen wird es oft kalt. 
Das zeigt die Erfahrung.
Es kann noch einmal Frost geben.
Es kann auch schneien.


Warum heißen die Tage Eis-Heilige?


Früher hatte jeder Tag einen Namen.
Es war der Name von einem Heiligen.
An diesem Tag war sein Fest.

Heute benutzen wir solche Namen kaum mehr.
Aber den 31. Dezember nennen wir noch Sylvester,
und der 6. Dezember heißt Nikolaus.

Manche Leute kennen außerdem Johannis am 24. Juni
und Michaelis am 29. September.

Katholiken kennen noch viel mehr solche Namen.  
Der 11. Mai ist der Tag von Mamertus.
Der 12. Mai ist der Tag von Pankratius.
Der 13. Mai ist der Tag von Servatius.
Der 14. Mai ist der Tag von Bonifatius.
Der 15. Mai ist der Tag von Sophia.


Bauern-Regeln


Über diese Tage gibt es viele Sprich-Wörter.

Zum Beispiel:

Pankraz und Servaz sind zwei böse Brüder.
Was der Frühling gebracht hat, zerstören sie wieder.
Vor Servaz kein Sommer,
nach Servaz kein Frost.

Mamerz hat ein kaltes Herz.

Die kalte Sophie macht alles hie.
hie = kaputt (bayrischer Dialekt).

Solche Sprichwörter nennt man Bauern-Regeln.
Bauern-Regeln sind Sprichwörter über das Wetter.


Wann sind die Eisheiligen?

... und wann wird es wirklich kalt?


 
Bild: Der heilige Mamertus (rechts).
Foto: Französische Ikone / Wikimedia Commons
Die Antwort ist gar nicht so einfach...

In Nord-Deutschland sagt man:
Der erste Eisheilige ist Mamertus.

Aber in Süd-Deutschland sagt man:
Der erste Eisheilige ist Pankratius.
Das ist einen Tag später.
Bild: Der heilige Pankratius. Wappen von Schluchtern.
Grafik: Rosenzweig / Wikimedia Commons

Warum ist das so?

Wissenschaftler erklären:
Die kalte Luft fließt von Norden nach Süden.
Das dauert ungefähr einen Tag. 
In Süddeutschland beginnen die Eisheiligen einen Tag später.

Aber...
Ist es Mitte Mai wirklich immer kalt?
Eigentlich nicht.
Oft wird es erst Ende Mai kalt.

Wissenschaftler sagen:
Die Bauern-Regeln sind sehr alt.
Wir benutzen jetzt einen anderen Kalender als damals.
Die Heiligen-Tage sind eine Woche nach vorne gerückt.
Aber die Bauern-Regeln hat man nicht geändert.
Deshalb wird es jetzt nicht mehr an den Eisheiligen kalt.
Der Frost kommt erst eine Woche später.

Moment mal...
Manchmal kommt der Frost doch auch Anfang Mai!
Warum?

Wissenschaftler sagen:
Das kommt vom Klima-Wandel.
Der Frühling beginnt heute früher.
Deshalb kommen die kalten Tage auch früher. 

Es gibt also viele Ausnahmen
und viele Erklärungen.
Auf Bauernregeln kann man sich nicht verlassen.

Na ja.
Meistens nicht.
Aber diese hier stimmt immer:
Wenn´s schneit im Mai,
ist der April vorbei.
:-)

Sonntag, 3. Mai 2015

Was ist so sexy an Berlin?




Bild: Das Brandenburger Tor 2012.
Foto: Lotse / Wikimedia Commons


 
Berlin zieht Menschen an wie ein Magnet.
Viele Leute möchten jetzt dort hin.
Sie möchten in Berlin leben.

Es sind nicht nur Deutsche.
Die Leute kommen aus den USA, aus Russland,
aus Israel...
Sie kommen aus Ländern, 
die besseres Wetter haben als Deutschland.
Und sie kommen aus Städten, 
die viel schöner sind als Berlin.

Neulich traf ich eine Französin.
Sie hat früher in Paris gewohnt.
In Paris!
Vor ein paar Jahren war sie einmal kurz in Berlin.
Da dachte sie:
Hier muss ich leben.
Sie hat extra Deutsch gelernt
und ist nach Berlin gezogen.
Jetzt arbeitet sie dort.

Ich finde das unglaublich.


Bild: Berlin Alexanderplatz 2003
Foto BLueFISH.as / WM commons


Berlin ist doch so hässlich!
Es ist schmutzig und chaotisch.
Überall sind Baustellen.
Man muss ewig auf die S-Bahn warten.
Und die Berliner sind oft unfreundlich.
Was ist denn an Berlin so toll?

Es gibt eine Antwort auf diese Frage.
Peter Schneider hat sie gefunden.



Bild: Der Schriftsteller Peter Schneider
Foto: Regani / Wikimedia Commons




Peter Schneider ist ein Schriftsteller.
Er hat ein Buch über Berlin geschrieben.

Foto mit freundlicher Genehmigung
vom Kiepenheuer und Witsch-Verlag


Er fragt: 
Warum wollen die Leute in Berlin leben?
Und er antwortet:
Schönheit ist nicht der Grund!

Andere Hauptstädte sind schöner als Berlin.

Andere Hauptstädte haben auch eine längere Geschichte.
Viele Generationen haben sie gebaut.

Aber jetzt sind sie fertig.
Und wenn man dort ist, dann fühlt man:
Diese Stadt ist schon perfekt. 
Ich kann sie bewundern.
Aber ich kann hier nichts mehr verändern.
Ich bin nicht wichtig.

In Berlin ist das anders.

Berlin hat nicht so eine lange Geschichte.
Und es wurde immer wieder um-gebaut. 

Berlin-Mitte war zuerst nur die Hauptstadt von Preußen. 
Im 18. Jahrhundert war es nur eine Siedlung beim Schloss des Königs.


Bild. Das alte Berliner Stadtschloss.
User Euromap/Wikimedia Commons.
1871 wurde das Deutsche Reich gegründet. 
Erst dann wurde Berlin die Hauptstadt von Deutschland.

Man baute neue Institutionen für das ganze Land.
Zum Beispiel den Reichstag.  


Bild: Der Entwurf für den Reichstag,  1882
Architekt: Paul Wallot.
Foto: Wikimedia Commons

Dann kam der erste Weltkrieg.
Er veränderte sowieso ganz Europa.
Danach wurde Deutschland eine Demokratie.
In Berlin tobten die Diskussionen.
Wie wollen wir leben?
Wie soll unser Staat aussehen? 
Man probierte viele neuen Ideen aus.

Dann kamen die Nazis.
Sie bauten Berlin wieder um.
Berlin sollte die Welt beeindrucken. 
Eine ganz neue Stadt sollte entstehen.
Mit riesigen Straßen und Gebäuden.
Dieses Berlin verschwand im Krieg.

Dann kam die deutsche Teilung.
Wieder bekam Berlin ein ganz neues Gesicht.
Aus einer Stadt wurden zwei Städte.
In der Mitte war eine Mauer.
An der Mauer blieben viele Flächen frei. 

Bild: Freie Flächen an der Mauer. Potsdamer Platz 1985
Foto: Willy Pragher / Deutsche Digitale Bibliothek.

Und dann kam die Wieder-Vereinigung...
Auf den freien Flächen entstehen jetzt neue Gebäude.

Berlin ist immer im Bau.
Das Wahrzeichen von Berlin ist nicht das Brandenburger Tor.
Das Wahrzeichen von Berlin ....ist ein Kran.
Bild: Der Berliner Fernsehturm. Und ein Kran.
Foto Arnis / Wikimedia Commons
Peter Schneider sagt:
Diese Atmosphäre macht Menschen kreativ.
Sie fühlen sich nicht so klein.
Sie denken:
Hier kann ich noch mit-reden.
Hier sind meine Ideen wichtig.
Hier ist mein Platz.

 

Was steht noch in dem Buch?


Das Buch erzählt:
 
Über welche Themen reden die Berliner?
Was fanden sie in den letzten 25 Jahren wichtig?
Wo wollten sie mit-reden?

Diese Themen interessierten natürlich nicht nur Berliner.

Aber oft war das Zentrum der Diskussion in Berlin. 
Und die Diskussion in Berlin war besonders lebhaft.

Zum Beispiel:

Soll die Berliner Mauer stehen bleiben,
obwohl sie ein Symbol der Unterdrückung ist?
Sollen wir das Stadt-Schloss wieder aufbauen,
obwohl es völlig zerstört ist?

Welche Gebäude sollen dort stehen, wo früher die Mauer war?
Sind Gebäude aus Glas und Stahl demokratisch?
Sind Gebäude aus Stein faschistisch?

Die Nazis haben Millionen von Menschen getötet.
Brauchen wir ein Denkmal für alle diese Menschen?
Oder soll es ein Extra-Denkmal für die Juden geben?

In der DDR haben viele Leute der Stasi Informationen geliefert.
Was machen diese Leute heute?
Muss man sie alle bestrafen?
Welchen Einfluss hat die Stasi heute noch?

Es gibt viel Rassismus in den neuen Bundesländern.
Woher kommt das?
Was können wir dagegen tun?
Und was machen wir,
wenn moslemische Migranten Juden beschimpfen?

Manche moslemischen Eltern lassen ihre Töchter nicht nach draußen gehen.
Ist das ihre Kultur? 
Müssen wir es respektieren?
Oder ist es eine Menschenrechts-Verletzung?
Müssen wir eingreifen?
Viele Menschen aus Süd-Deutschland ziehen nach Berlin.
Vor allem gibt es sehr viele Schwaben.
Ist es ok, wenn sie weiter schwäbischen Dialekt sprechen?
Müssen die anderen Berliner jetzt auch schwäbische Wörter benutzen?

In 25 Jahren gab es viele Themen.
Manche sind sehr ernst.
Über andere muss man jetzt schon lachen.
 
Peter Schneider erzählt über die Diskussionen.
Und er stellt Personen vor, die für das Thema wichtig waren.
Man erfährt viel darüber,
wie Intellektuelle in Deutschland heute denken.

Ich finde:
Der Titel passt nicht ganz zu dem Buch.
Denn es ist nicht nur ein Buch über Berlin.
Es erzählt ein Stück moderne deutsche Geistes-Geschichte. 



Wer ist Peter Schneider?

 

Bild: Peter Schneider.
Foto: Heinrich Böll-Stiftung / Wikimedia Commons







Peter Schneider kommt eigentlich aus Lübeck.
Aber er hat in West-Berlin studiert.
Das war in den 60er Jahren.
Seitdem lebt er dort.





In den 60er Jahren dachten viele Leute nur ans Geld.
Deutschland wieder aufbauen!
Geld verdienen!
Die Vergangenheit vergessen!
Die Politik war konservativ.
Manchmal sogar reaktionär.

Dagegen rebellierten viele Studenten.
Sie wollten Deutschland grundlegend verändern.
Der Kommunismus war ihr Ideal.
Das nennt man die Studenten-Bewegung.

Peter Schneider war in der Studentenbewegung sehr aktiv.
Er war ein Wort-Führer.

Dann beendete er sein Studium.
Er wollte Lehrer werden.
Aber er durfte nicht.
Er bekam Berufs-Verbot.
Das gab es damals auch in West-Deutschland.

So wurde Peter Schneider Schriftsteller.
Er hatte Erfolg und konnte davon leben.

Heute denkt er politisch nicht mehr so radikal wie früher.
Aber er beobachtet die deutsche Gesellschaft genau.
Und in seinen Büchern spielt Politik immer eine Rolle.
Das klingt langweilig...
aber Peter Schneider schreibt sehr interessant.

Früher hat Peter Schneider auch die DDR beobachtet.
In den 80er Jahren hat er gesagt:
In der DDR denken die Leute anders als in West-Deutschland.
Vielleicht gibt es einmal eine Wieder-Vereinigung.
Dann wird die Berliner Mauer verschwinden.
Aber die Mauer in den Köpfen wird bleiben.

Er hat Recht gehabt.
Und seinen Ausdruck Die Mauer in den Köpfen benutzt heute jeder.